Gichtarthritis

Erscheinungsjahr (Stand): 2024

Klassifikation: s3

Registernummer: 060-005

Federführende Fachgesellschaft(en):
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh)

Weitere beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen: 7

Bewertung durch leitlinienwatch.de

31.03.25


Pkt.

Bewertungskriterium

2

Transparenz

Eine Aufstellung der Interessenkonflikte mit Nennung der Firmennamen findet sich am Ende des Leitlinienreports (Anhang 4 ab S. 18). Am rechten Rand ist die Bewertung der IK durch unabhängige Bewerter aufgeführt. Wir vergeben nur 2 Punkte, weil diese Bewertung inadäquat erscheint. Bei zwei Beteiligten mit finanziellen Beziehungen zu Novartis wird ein IK erkannt. Novartis stellt den Interleukin 1-Blocker Canakinumab her, der zur Behandlung des akuten Gichtanfalls zugelassen ist. Die Behandlungskosten für die Einmaldosis im akuten Anfall betragen 16.600,- €. Finanzielle Beziehungen zur Firma Novartis geben jedoch auch 9 weitere Beteiligte an, ohne dass diese als IK gewertet werden. Eine Begründung dafür findet sich nicht. Auch Verbindungen zur Firma Berlin-Chemie (Hersteller des Gicht-Medikaments Febuxostat) werden nicht als Interessenkonflikt gewertet. Möglicherweise ist hier eine bei AWMF-Leitlinien übliche Bagatellisierung von IK zum Zuge gekommen: Beziehungen zu Herstellern eines in der LL bewerteten Produkts seien harmlos, wenn die Zusammenarbeit keinen thematischen Bezug zur Leitlinie hätte, da sie sich auf andere Projekte bezöge. Für IK gilt jedoch: Wenn mein Geldgeber ein Interesse an meiner Leitlinienempfehlung hat, dann habe ich einen Interessenkonflikt, unabhängig davon, wofür das Geld geflossen ist. Der Wirkstoff Canakinumab wird zwar in der LL recht zurückhaltend empfohlen (für anderweitig schwer zu behandelnde Patienten könne eine Therapie mit Canakinumab erwogen werden, LL S. 33), dennoch bleibt es bei der Verkennung von relevanten Interessenkonflikten. Eine zweite, ebenfalls AWMF-übliche Bagatellisierung ist die Einstufung von Vortragshonoraren als "geringer Interessenkonflikt", der keine Einschränkungen erfordere, außer den Ausschluss von Leitungsfunktionen. Industriehonorare für Vorträge liegen jedoch kaum unter 1000,- €. Aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass schon deutlich kleinere Beträge den Mechanismus der Reziprozität auslösen, also die gefühlte Verpflichtung zur Gegenleistung. Selbst RednerInnen, die mit Produkt-bezogenen Vorträgen durchs Land touren, bleiben nach AWMF-Logik im schadlosen Bereich der "geringen Interessenkonflikte".

0

Zusammensetzung der Leitlinien-Gruppe

17 von 27 Beteiligten geben finanzielle Beziehungen zu Firmen an (LL-Report, Anhang 4 ab S. 18).

0

Unabhängigkeit der Vorsitzenden/federführenden AutorenUnabhängigkeit der Vorsitzenden/federführenden Autoren

Beide Koordinatorinnen geben vielfältige Firmenbeziehungen an, beide auch zu Novartis. Dennoch sehen die unabhängigen Bewerter keine Interessenkonflikte.

0

Enthaltung bei Abstimmungen

Im Leitlinienreport (S. 28) wird dargelegt, dass ein moderater IK zur Stimmenthaltung geführt hätte. Es wurden jedoch nur bei 2 Beteiligten "geringe IK" identifiziert, entgegen der AWMF-Logik wurden dabei Beratertätigkeiten für Novartis als "gering" eingestuft. Zahlreiche weiteren Beteiligte gaben Beraterverträge oder Vorträge für Novartis an, ohne dass irgendein IK erkannt wurde. Damit wurde die angedeutete Enthaltungsregel praktisch ausgehebelt. Daher leider 0 Punkte in diesem Kriterium.

3

Externe Beratung der Leitlinie

Eine öffentliche externe Beratung fand über 3 Wochen auf der AWMF-Website statt, die Ergebnisse sind dokumentiert (Leitlinienreport, S. 26).

3

Bonuspunkte für weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Interessenkonflikten

- Literaturrecherche und Evidenzbericht durch das IQWiG, Evidenzbewertung nach GRADE
- Verwendung der Quell-Leitlinie des NICE
- Pluralistische Zusammensetzung der Leitliniengruppe


Erläuterungen zu den Bewertungskriterien

Gesamtpunktzahl

8

Gut! (11-18)

Achtung! (6-10)

Reformbedarf! (0-5)

Kommentar

Wichtige Leitlinie mit guter Evidenzfundierung. Der Umgang mit Interessenkonflikten erscheint dagegen unreflektiert und bagatellisierend. Auf unserer Website www.leitlinienwatch.de finden sich zahlreiche positive Beispiele anderer deutscher Fachgesellschaften als Anregung für ein gelungenes IK-Management.

Hinweis: Die Bewertung wurde sorgfältig auf der Grundlage der publizierten Leitlinie vorgenommen. Wenn Sie einen Fehler bemerken, können Sie uns unter info@leitlinienwatch.de kontaktieren.