ESC-Leitlinie Dyslipidaemias (Management of)

Erscheinungsjahr (Stand): 2019

Federführende Fachgesellschaft(en):
European Society of Cardiology (ESC)

Weitere beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen: 0

Bewertung durch leitlinienwatch.de

08.12.19


Pkt.

Bewertungskriterium

2

Transparenz

Die Interessenkonflikte aller Beteiligten, einschließlich der internen Reviewgruppe, werden detailliert aufgelistet. Eine Bewertung der Interessenkonflikte und daraus abgeleitete Konsequenzen fehlen jedoch: https://www.escardio.org/static_file/Escardio/Guidelines/DOI/DOI_Summary_2019_DYSLIPIDAEMIAS.pdf , Leitlinienautoren: S. 1-14, Reviewgruppe: S. 15-66.
Dokumentiert sind nur die finanzielle Interessenkonflikte eines Jahres (2017 oder 2018, in Einzelfällen 2017-18), international üblich ist eine rückwirkende Erklärung für mindestens 3 Jahre (z.B. bei der deutschen AWMF).

0

Zusammensetzung der Leitlinien-Gruppe

20 der 21 Leitlinienautoren deklarieren finanzielle Interessenkonflikte, darunter 14 mit Herstellern der kostspieligen PCSK9-Hemmer.
68 Mitglieder der 85-köpfigen Reviewgruppe geben Interessenkonflikte an, davon 47 mit Herstellern der PCSK9-Hemmer (https://www.escardio.org/static_file/Escardio/Guidelines/DOI/DOI_Summary_2019_DYSLIPIDAEMIAS.pdf)

0

Unabhängigkeit der Vorsitzenden/federführenden AutorenUnabhängigkeit der Vorsitzenden/federführenden Autoren

Alle 3 Koordinatoren geben finanzielle Interessenkonflikte mit der Arzneimittelindustrie an, darunter 2 mit Herstellern der umstrittenen PCSK9-Hemmer (https://www.escardio.org/static_file/Escardio/Guidelines/DOI/DOI_Summary_2019_DYSLIPIDAEMIAS.pdf).

0

Enthaltung bei Abstimmungen

Eine Enthaltungsregel für Abstimmungen mit inhaltlichem Bezug zum Interessenkonflikt existiert nicht - ebenso wie bei anderen ESC-Leitlinien.

0

Externe Beratung der Leitlinie

Es findet keine Beratung durch die Fachöffentlichkeit statt, lediglich ein interner Review durch eine benannte Expertengruppe (s. Kriterium Bonuspunkte).

1

Bonuspunkte für weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Interessenkonflikten

Interner Reviewprozess mit 85 europäischen Experten, die jedoch ebenso wie die Autorengruppe mit Interessenkonflikten belastet sind (s. Krit. 1).


Erläuterungen zu den Bewertungskriterien

Gesamtpunktzahl

3

Gut! (11-18)

Achtung! (6-10)

Reformbedarf! (0-5)

Kommentar

Es handelt sich um eine Schlüsselleitlinie, die von zahlreichen nationalen kardiologischen Fachgesellschaften übernommen wird und Standards für die Behandlung von Millionen Menschen formuliert. Der Umgang mit Interessenkonflikten ist aus unserer Sicht fahrlässig. Einzig positiv ist die Transparenz in der Deklaration der Interessenkonflikte, meist mit Nennung der Themengebiete, so dass der inhaltliche Bezug zur Leitlinie eingeschätzt werden kann. Es fehlt jedoch weiterhin eine unabhängige Bewertung der Interessenkonflikte mit entsprechenden Konsequenzen, also dem Ausschluss aus der Leitlinie bei schweren Interessenkonflikten (beispielsweise bei Beraterverträgen mit Herstellern von Cholesterinsenkern) oder die dokumentierte Enthaltung bei Abstimmungen, wenn moderate Interessenkonflikte vorliegen (Beispiel: einmaliges Vortragshonorar eines solchen Herstellers). Brisant ist, dass die Mehrheit der beteiligten Experten persönliche Honorare oder Forschungsunterstützung von den Herstellern der kostspieligen neuen Generation von Cholesterinhemmern, den PCSK9-Hemmern erhalten hat (Jahrestherapiekosten 9.500 - 13.000 €). Sowohl der Arzneimittelbrief als auch das Arzneitelegramm kritisieren die Empfehlungen dieser Leitlinie, insbesondere die Erweiterung der zu behandelnden Risikogruppen und die Empfehlung der PKSC9-Hemmer ohne ausreichende Evidenz für einen Patientennutzen (https://www.der-arzneimittelbrief.de/de/Artikel.aspx?J=2019&S=73 ; a-t 2019; 50: 89-9). Der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der in Deutschland den Stellenwert neuer Medikamente nach Evidenzkriterien ermittelt, konnte keinen Zusatznutzen dieser Medikamentengruppe im Vergleich zu verschiedenen anderen lipidsenkenden Maßnahmen erkennen. Wir empfehlen der ESC die Rücknahme dieses Dokuments, das die wichtigsten Kriterien einer medizinischen Behandlungsleitlinie verfehlt: klare Orientierung auf den Patientennutzen auf der Grundlage von Ergebnissen randomisierter Studien sowie Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen. Die Regeln der ESC zur Leitlinienerstellung müssen dringend überarbeitet werden. Eine geeignete Grundläge wären die Empfehlungen des Guideline International Network zum Umgang mit Interessenkonflikten (https://annals.org/aim/fullarticle/2450219/guidelines-international-network-principles-disclosure-interests-management-conflicts-guidelines). Neben der Neutralität der Experten muss darin ein systematischer Review der gesamten verfügbaren Literatur verankert werden. Es bleibt allerdings zweifelhaft, ob eine Organisation, die 75% ihrer Einnahmen (54 von 72 Mio.€ im Jahr 2018) von der Industrie erhält, dazu geeignet ist, unabhängige Leitlinien zu erstellen (https://www.escardio.org/static_file/Escardio/About%20the%20ESC/Annual-Reports/ESC-Annual-Report-2018.pdf , S.71).

Hinweis: Die Bewertung wurde sorgfältig auf der Grundlage der publizierten Leitlinie vorgenommen. Wenn Sie einen Fehler bemerken, können Sie uns unter info@leitlinienwatch.de kontaktieren.